zweifache WIN / WIN - Situation

(der Notar, der Käufer, der Berater, die Verkäufer, der Käufer)

 

 

Chronologie einer Täuschung


In diesem Fallbeispiel sind wir uns nach wie vor nicht sicher, ob der Verkäufer wirklich arglistig handelte oder es sein Ego einfach nicht zuließ, sich selbstkritisch für fehlbar zu halten. Sicher ist nur, dass seine Firma und seine Rolle als Geschäftsführer und Inhaber nach der Übernahme eine andere war, als er diese in allen Vorgesprächen glaubwürdig versichernd beschrieben hatte.

 

Andreas Behrmann machte bei unseren Treffen und Telefonaten stets den Eindruck eines pedantischen Excel-Analytikers, der nichts dem Zufall überließ und zumindest im theoretisch-kaufmännischen Bereich seiner Firma sehr detailliert im Thema war. Für die operative Seite hatte er eine sehr gute Disponentin, die ihm sehr viel Arbeit abnahm und der Dreh- und Angelpunkt seines Unternehmens war.

 

Wir lernten Behrmann im März 2016 zunächst telefonisch, 14 Tage später dann persönlich in Hannover bei einem Lunchtermin kennen. In der Zwischenzeit schickte er bereits erste Auswertungen, die alle einen sehr präzisen und professionellen Eindruck machten und als Gesprächsgrundlage für das erste persönliche Gespräch dienten. Im Nachgang überreichte Behrmann umfangreiche Mitarbeiterübersichten.

 

Eine erste Analyse der BWAs und seinen Auswertungen ergaben einige Differenzen, die Behrmann auf sein Lexware-Lohnprogramm zurückführte und einige Tage später entsprechende Korrekturen vorlegte. Flankierend bot auch die Optik des Betriebssitzes vom Lager bis zum Büro stets einen äußerst geordneten Zustand.

 

Als Motiv für seine Verkaufsabsichten nannte er immer wieder auftretende Depressionsschübe (Burn Out Syndrom). Er war nach eigener Aussage den ständig wechselnden Anforderungen eines Unternehmers im Gebäudereiniger-Handwerk nicht mehr gewachsen.

 

Erwähnenswert ist noch ein Seminartag im April 2016, der von der Örtlichkeit eher einer Vorstandssitzung in einem DAX-Konzern glich, als einem Arbeitsmeeting mit der „Leitungsebene“ einer Gebäudereinigung. Er wollte sein Unternehmen und vor allem sich gerne in einem guten Licht glänzen sehen.

 

Je weiter die Zeit und der Informationszufluss voranschritt, wuchs in uns die Überzeugung, dass nicht die Firma, sondern vielmehr Behrmann den Schwachpunkt und ein Risiko für die weitere Unternehmenszukunft darstellte. Ob nun krankheitsbedingt (Depressionsschübe) und/oder sein krankhafter Perfektionismus. Er benötigte schnell Hilfe von außen.

 

Dieser Anschein bestätigte sich auch in den drei Gesprächen mit dem Kaufinteressenten. Die junge sympathische Familie wurde ins Spiel gebracht und man war sich zunehmend darüber einig, dass wir es hier mit einem grundsoliden, ehrlichen Unternehmer zu tun hatten.

 

Nach Unterzeichnung des Kaufvertrages (ohne Notar, da Einzelfirma) im Oktober 2016, konnte die erhoffte, stationäre Unterstützung käuferseitig noch nicht gleich aktiviert werden. Nachdem Mitte Dezember ein vorläufiger Niederlassungsleiter im Unternehmen installiert wurde, trübten schnell erste Irritationen das Verhältnis. Der Unternehmer kannte seine Kunden scheinbar nicht. Zumindest verweigerte er jegliche Kooperation und es kamen keine Vorstellungsgespräche zustande.

 

Nach dem Stichtag und endgültigen Übergabetermin 01. Januar 2017 kamen täglich neue Missstände ans Tageslicht, die zu erheblichen Verstimmungen auf der Käuferseite führten. Behrmann reagierte pikiert und stritt alles ab.

 

So erfolgte keine vertragskonforme und somit tariftreue Entlohnung. Die Glasreiniger, beispielsweise, sind nur entlohnt worden, wenn Arbeitsnachweise vorgelegt wurden, obwohl ihnen vertraglich 169 Stunden je Monat zustehen.

 

Des Weiteren hatte Behrmann die Disponentin gegenüber dem Käufer wissentlich falsch dargestellt, um die Übernahme der Mitarbeiterin, die Kenntnis über alle nicht ordnungsgemäßen Abläufe im Unternehmen hatte, zu verhindern. Anstatt diese wichtige Schlüsselperson zu empfehlen, zettelte er ein für ihn teures Arbeitsgerichtsverfahren an, um die "Dame" loszuwerden. Damit stand die entscheidene Verbindung zu den Kunden und Mitarbeitern in der Übergangsphase nicht zur Verfügung.

 

Wir könnten die Liste der Vorwürfe an dieser Stelle beliebig erweitern, wollen dieses Fallbeispiel aber auch nicht mit Details überfrachten. Dass der Wert der Firma und somit auch der Kaufpreis deutlich überhöht war, kann man als gesichert bezeichnen. Zudem war bereits zum Stichtag der gesamte Kaufpreis geflossen, so dass dem Käufer wenig Druckmittel geblieben sind.

 

Ein Schlichtungsversuch scheiterte an dem noch nicht mal ansatzweise vorhandenen Unrechtsbewusstsein; nun bleibt dem Käufer aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch der Rechtsweg, der für beide Parteien unangenehm, unbefriedigend und zeitraubend zu werden droht. Eine auch für uns Berater unangenehme Situation. Wir fühlen uns schuldlos schuldig, obwohl wir natürlich genauso getäuscht worden sind, wie der Käufer selbst. Und wie genau in der Due-Diligence-Phase geprüft wird, obliegt nun mal der Käuferseite. Und ob das bei diesen "versteckten Mängeln" wirklich geholfen hätte, steht nochmal auf einem anderen Blatt.