Ground Zero, NYC



 

Ein Nachfolge-Bericht aus der Praxis

 

  • Erbschaftsvorkehrungen
  • Unternehmensbewertung
  • Reorganisation der Firma
  • und schließlich der Verkauf

 

Als Peter S. im Sommer 2007 nicht unerwartet verstarb, musste alles ganz schnell gehen. Denn Vorbereitungen hatte der 63-jährige kaum getroffen. In der Nacht vor seinem Tod kam die Familie mit dem Notar und dem langjährigen Steuerberater an seinem Sterbebett zusammen, um auf die Schnelle zu regeln, was schon lange hätte geregelt werden müssen. Aber der Reihe nach.

 

Peter S. war ein erfolgreicher Unternehmer in einem Düsseldorfer Vorort. In den frühen 70er-Jahren hatte er sein Unternehmen gegründet. Er war gut vernetzt in der lokalen Politik und Wirtschaft, hielt regelmäßige Vesperrunden in seinem Kaminzimmerbüro ab. Der Achtertisch stets festlich und mit Liebe zum Detail gedeckt, feinste, aber dennoch rustikale Speisen und gute Weine und Biere mit ausgewählten Schnäpsen sorgten für ein herzliches, gastfreundschaftliches Ambiente. In den kalten Jahreszeiten brannte dazu der Kamin. Kundenbindung auf rheinische Art.

  

Er hatte es zu einigem Wohlstand gebracht, besaß neben der Gewerbeimmobilie, in der neben seiner eigenen Firma noch zwei Kunden ihre Geschäftsräume hatten, noch ein Geschäftshaus in der „Stadt“ , Eigentumswohnungen und ein weißes Bauernhaus in Holland. In der einen Wohnung lebte seine alte Mutter, in einer anderen seine geschiedene Frau und in einer dritten er selbst mit seiner langjährigen Lebenspartnerin, die gleichzeitig seit über 30 Jahren seine technische Leiterin war. Sie kannte alle Kunden und Mitarbeiter und war neben ihm die Seele des Betriebes. Ohne ihren leidenschaftlichen Einsatz wären die Kunden nach seinem Tod wahrscheinlich nicht alle zu halten gewesen.

 

Über die Zeit nahmen die Streitigkeiten zwischen den Nachlassnehmerinnen zu, bei denen das Unternehmen eine untergeordnete Rolle spielte und darunter litt. Die Töchter fanden es zwar in Ordnung, dass ihr Vater seine Lebensgefährtin absicherte, aber waren 8.000 EUR im Monat wirklich die Hälfte der Bruttoertragsmiete aus den Einnahmen der Gewerbeimmobilie? Darüber stritten die Parteien noch lange. Anwaltskosten drohten die Erträge aufzuzehren und der Investitionsrückstau in der alten Immobilie verursachte auch erhebliche Kosten. Sind diese nicht von der Bruttoertragsmiete in Abzug zu bringen? Das Testament, die geschlossene Ehe, alle Maßnahmen waren auf den letzten Drücker durchgeführt worden; ein Streit quasi vorprogrammiert! Die Lebenspartnerin sollte zudem die Geschäftsführung übernehmen und wurde von den Beteiligten ausgebremst - schlicht nicht mehr über alles informiert. Sie warf am Ende das Handtuch und wurde krank. Und dann war da noch die Schwester des Gründers, bislang für die Buchhaltung und Finanzen zuständig. Auch sie war schon Jahrzehnte in der Firma beschäftigt und stand immer im Schatten des Bruders und seiner Partnerin. Das ließ sie die technische Leiterin nach ihrer Rückkehr aus der Krankheit spüren. Die Töchter hielten auch eher zur „Tante“ als zu der „Erbschleicherin“. Die Stimmung im Hause leicht vergiftet - die Mitarbeiter verwirrt! Denn die drei Objektleiter sollten jetzt an die geschäftsführende Schwester berichten. Damit war ihre ehemalige Vorgesetzte außen vor und schmiss frustriert das „innere Handtuch“ - für den Betrieb mit Sicherheit die schlechtere Lösung.

 

Der Kaufmann und Gebäudereinigermeister Peter S. war sicher ein mutiger Unternehmer, aber gegenüber seinen Töchtern ein allen Problemen und wichtigen Entscheidungen aus dem Wege gehender Vater. Außerdem hat er seinen Töchtern den Erzählungen nach nicht viel zugetraut. Jedenfalls nicht in seinem Betrieb. Eher halbherzig ließ er die eine Tochter ihre Ausbildung zur Bürokauffrau zum Abschluss bringen. Aber wirklichen Einblick und Unterstützung zum besseren Verständnis der Branche gewährte er ihr zu keiner Zeit. Die andere Tochter hatte von je her nichts mit dem Betrieb zu tun und sich frühzeitig anderen Berufsaktivitäten gewidmet.

 

Dementsprechend hilflos stand die eine Gesellschafterin als Vertreterin der Erbengemeinschaft über ein Jahr zwischen den Stühlen und musste sich um die Immobilien sowie alle auftretenden Steuer- und Erbschaftsangelegenheiten kümmern – und von dem laufenden Betrieb wollte und musste sie ja auch noch was mitbekommen!

 

Sie benötigte sehr viel Rat und die Berater nutzten das schamlos aus. Diese schlugen Umfirmierungen vor, machten auf die Schnelle neue Gesellschaftsverträge für die verschiedenen Firmen (Peter S. hatte eine kleine Konzernstruktur geschaffen, zu der sowohl eine Verwaltungs- plus eine Reinigungsgesellschaft mbH als auch eine Handels-KG gehörten). Im Nu wären hier einige zehntausend EUR an Honorar fällig gewesen.

 

„Das kommt mir bald so vor  wie in einem Wirtschaftskrimi“, sagte die Tochter Simone S. als wir uns auf ungewöhnlichem Wege Ende 2008 kennen lernten. Die beiden Erbinnen hatten nach dem geschilderten Vertrauensverlust zwischenzeitlich den Steuerberater gewechselt. Dieser hatte ihr sehr voreilig anonymisierte Kennzahlen und Unterlagen eines anderen Mandanten übergeben, auf denen sich meine Kontaktdaten befanden.

 

Ich bat Simone S. in mein Büro, um die Rätsel persönlich und anhand der überreichten Kennzahlen zu lösen. Schnell konnte ich erklären, dass es sich dabei um einen zufällig im gleichen Ort ansässigen Mandanten mit ähnlichen Kennzahlen qua Umsatz und Anzahl an Mitarbeitern handelte. Wie gesagt, alle Daten anonymisiert, aber das hätte dem Steuerberater unbedingt auffallen müssen. Ich konnte noch ergänzen, dass ich von dem Tod des Vaters bereits 12 Monate zuvor gehört hatte, aber die beiden Anschreiben sowie die telefonische Nachfassaktion bei der Tante „hängen geblieben“ waren. Diese hatte kein Interesse an einem „Störenfried“ von außen, der möglicherweise ihre Pläne kreuzte und schlimmstenfalls vereitelte.

 

Denn die geschäftsführende Schwester des Verstorbenen wollte ihre noch dreijährige „Karriere“ bis zur Rente unter Dach und Fach bringen. Sie kämpfte schon seit Monaten um einen Geschäftsführervertrag mit den Gesellschafterinnen, in dem ihre persönliche Situation auf alle möglichen Szenarien abgesichert werden sollte. Auch im Falle einer nicht auszuschließenden Insolvenz. Die Erbinnen hätten in jedem Fall zahlen müssen. So hatte sie es jedenfalls geplant.

 

Gott sei Dank waren sich die Parteien sympathisch und die wichtige Vertrauensbildung nach einem weiteren Gespräch geschafft. Ihr zusätzlicher „Berater“ und Lebenspartner war mit der besprochenen Strategie und Vorgehensweise einverstanden. Es war hilfreich, dass er auch aus einem Handwerk kam und zudem ein erfolgreicher Unternehmer war. Allerdings hatte er mit Autos und deren Reparatur zu tun. Als wir den ersten Verkaufsverhandlungen näher kamen wurde es komplizierter, denn er glaubte, nein er wusste es sogar „besser“, dass eine Unternehmensveräußerung genauso funktioniert wie der Kauf/Verkauf eines Autos. Aber soweit waren wir ja noch nicht.

 

Zunächst musste eine Ist-Analyse der betriebswirtschaftlichen Zahlen erarbeitet werden. Denn der Betrieb hatte sich besonders im letzten Jahr gravierend verändert, was die „Tante“ bewusst verschwiegen oder zumindest völlig unterschätzt hatte. Aus einer Beteiligung an einer externen Pflegeeinrichtung fehlten ab Oktober 2008 rund 10.000,00 EUR Tantieme, die dem Unternehmen jahrelang quasi ohne nennenswerte Kosten monatlich zugeflossen war. Diese Erlöse brachen nicht plötzlich und unerwartet weg; nein, diese langjährige Kooperation hatte vertraglich eine bestimmte Laufzeit und die Zeit war für Insider weit vorhersehbar abgelaufen. Die Geschäftsführerin war die Insiderin. Denn sie hatte für ihren Bruder neben der Buchführung sämtliche Immobilien und ebenso die Beteiligung verwaltet.

 

120 T€ p.a. Umsatz fehlten von da an dem Unternehmen ohne das die Kostenstrukturen entsprechend angepasst werden konnten. Ganz im Gegenteil, der Umsatz der 4-köpfigen Glasabteilung verringerte sich über kurz oder lang um 70.000,00 EUR p.a. Die Abteilung rechnete sich auf einmal nicht mehr und die Firma konnte ohne Reorganisation so nicht einfach weiter machen, als sei nichts geschehen. Da die Tante aber mehr an sich und ihren Vertrag dachte, guckte sie dieser Entwicklung mehr oder weniger tatenlos zu. Es bestand dringender Handlungsbedarf.

 

Bereits Ende März wurde sie als Geschäftsführerin abgelöst und durch den Berater ersetzt. Im Mai 2009 konnte der Auflösungsvertrag dennoch einvernehmlich unterzeichnet werden. Nach über 30 Jahren Betriebszugehörigkeit keine einfache Verhandlung und natürlich auch nicht kostenneutral, aber allemal besser, als diese hohen laufenden Kosten noch unendlich weiter laufen zu lassen und mit in mögliche Zukunftsvisionen zu tragen.

 

Die ersten Verkaufsverhandlungen basierten naturgemäß auf prognostizierten Zahlen, die erst nach Umsetzung einiger erforderlicher Reorganisationsmaßnahmen wieder Gewinne vorhersagten und drückten den Kaufpreis. Wie bereits erwähnt, war der Geschäftsbereich Glas- und Sondereinigung mit vier fest angestellten Gebäudereinigern nicht mehr kostendeckend. Die langen Betriebszugehörigkeiten stellten ein hohes Risiko für die Zukunft des Unternehmens dar. Meine Interims-Geschäftsführung hatte zum Ziel, das Unternehmen für den Verkauf vorzubereiten, alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen und aus den erstellten Prognosen wieder ausgewiesene Gewinne zu generieren. Die Ergebnisse waren nach Abschluss der arbeitsrechtlichen Verhandlungen zum Ende des Jahres 2009 bereits erkennbar. Seit dem Frühjahr 2010 machte das Unternehmen wieder Gewinn. Am 02. September 2010 wurde der Kaufvertrag unterschrieben und die Geschäftsführung auf den Käufer übertragen.

 

Am Ende des Tages ist dieses ungewöhnliche Nachfolge-Projekt noch mal gut gegangen und alle Parteien zufrieden. Dennoch, Peter S. hätte trotz oder gerade wegen seiner schweren Krankheit rechtzeitig Vorsorge treffen müssen. Denn nur er kannte seine Pappenheimer wie kein anderer. Leider hat er sich vor diesen wichtigen Gesprächen gedrückt. Ich glaube das nach intensivem Einsatz vor Ort beurteilen zu können; er hätte seinen Töchtern und der Lebenspartnerin so einiges an Sorgen und Ärger ersparen können und eigentlich auch müssen.